»Ist wie Fahrrad fahren. Verlernt man nicht.«

Oh doch. Skillen kann verlernt werden, wenn es eine Zeit lang nicht bewusst betrieben wird. In den letzten Monaten war es nicht sonderlich notwenig. Jetzt wäre ich mir selbst dafür dankbar, hätte ich es getan. Analysieren, aktzeptieren, bewusst die Gedanken lenken – mein eigenes Verhalten, mich, meine eigenen Gedanken und nicht das von anderen Menschen mir gegenüber. Denn da ist immer viel zu viel Interpretationspielraum. Auf Dauer kann das sicherlich anstrengend und nervig sein. Möglicherweise liegt darin auch der Grund, warum ich da eine Pause eingelegt habe.

Vergangenen Donnerstag musste mich ein Arzt (er ist nicht mein regulärer Hausarzt) für eine Woche wegen starker Sommergrippe krank schreiben. Und das nur ein oder zwei Tage später, als ich schon dachte: Ich hätte gerne mal wieder ein bisschen Zeit nur für mich selbst. So habe ich mir das allerdings nicht vorgestellt. Das war kein Wunsch ans Universum. Die Antwort war dann doch ein kosmischer Scherz. Sommergrippe. Ein paar Tage wird man außer Gefecht gesetzt. Nach vier Tagen wollte ich schon ein Kreuz im Kalender machen, weil der erwartete seelische Einbruch ausblieb. Am fünften Tag des Siechtums war es dann doch soweit. Sobald das Gehirn nicht mehr ganz so vernebelt ist, fängt es an, den größten Quatsch zu denken. Wenigstens sehe ich es als kleinen Fortschritt, wenn ich selbst merke: Was denkst du dir da eigentlich für einen Mist zusammen? Eine gute Freundin wusste Rat und schrieb:

»Wenn der Körper in Schieflage ist, dann ist oft auch die Seele labil.«

Im Endeffekt bedeutet das nichts weiter, als dass genau diese Nachdenkerei auch ausgeschwitzt werden muss. Nur eben anders.

Am Montag also schleuderte es mich in eine starke emotionale Schieflage. Wie zu erwarten war. In den Tagen darauf sortierte ich meine Gedanken und vor allen Dingen Gefühle in die richtigen Denkbahnen. Hier hin, nicht da. Typischerweise dauert dieser Prozess auch wieder mehrere Tage an, jeden Morgen ein bisschen Murmeltier, was sich da anbahnt. Heute gelangte ich allerdings an einen Punkt, an dem die innere Anspannung deutlich zu spüren war. Jippie. Die passende Gelegenheit, um Erlerntes abzustauben, zu reaktivieren und bewusst einzusetzen im Kampf gegen … hmmm … ich möchte ja nicht mehr gegen mich selbst kämpfen. Sondern mit mir um mich! Dann nochmal von Vorne: im Kampf gegen die innere Anspannung.

Manchmal hilft es auch, mir richtig blöde Sätze von anderen, richtig unwissenden Menschen ins Gedächtnis zu rufen, die an Dummheit kaum zu übertreffen sind. Gestern war es dieser:

»Eine Frage noch: können wir unsere Webseite auch als PowerPoint Präsentation ausdrucken?«

Schon lange habe ich nicht mehr so eine dumme Frage in meinem Arbeitsalltag gehört. Die erste unvermeidliche Reaktion besteht aus einer Menge Fragezeichen des Unverständnisses sowie Genervtheit. Vermutlich geht es einigen meiner Mitmenschen genau so, wenn ich ihnen zum einhundertausendsten Mal mitteile, ich habe Angst, sie zu verlieren; wenn ich sie frage, ob ich etwas falsch gemacht habe, weil sie sich nicht mehr melden; wenn ich ihnen sage, meine Gedanken drehen sich wieder in einem Sorgenkreis, der gar nicht meiner ist. Ja. Doch. Wenn ich mir das als ihre ersten Reaktionen vorstelle, geht die Anspannung zurück, weil ich dann auch die ausgesprochenen Antworten kenne:

»Alles halb so schlimm. Mach dir keine Sorgen. Du hast das jetzt schon öfter erlebt und bisher war immer alles gut. Du machst alles richtig. Es liegt nicht an dir.«

Dann werde ich mich jetzt wieder mit anderen nervigen Dingen beschäftigen, die nicht mich selbst betreffen. Denn genervt habe ich mich heute bereits selbst genug. Mit dem Fazit: Alles halb so schlimm.